Bei einem Beurteilungsraster fliessen die Lernabsichten und Qualitätskriterien in eine tabellarische Darstellung, die es uns ermöglicht, die Qualitäten der einzelnen Arbeiten zu erfassen und zu bewerten. Die Raster sind die Werkzeuge mit denen die gefundenen Qualitäten in eine Ziffernnote umgemünzt werden sollen. Dazu sind wir schliesslich gezwungen, auch wenn die fertige Note weder Aussagekraft über das Gelernte macht, noch uns dabei hilft herauszufinden, wo wir beim weiteren Lernen der Schüler*in ansetzen sollen.
Felix Winter (2015, Kapitel 10) beschäftigt sich in seinem Buch «Lerndialog statt Noten» eingehend mit der Erstellung von Beurteilungsraster. Von dort habe ich einzelne Aspekte meiner Praxis abgeschaut. Dabei hält er fest, dass besonders Produkte sich gut für die Arbeit mit Rastern eignen. Sie sind innerhalb der Klasse aber darüber hinaus gut vergleichbar. Zudem kann bei der Arbeit an Produkten die Entwicklung der Schüler*innen gut verfolgt werden, z.B. wenn man bewusst mit Entwürfen arbeitet.
Bevor man mit der Erstellung eines Rasters beginnt, sollen Zielbereiche und Zwecke geklärt und bestimmt werden. Der Bezug des Rasters zum Unterricht ist dabei zentral. Das Raster soll sich nur auf Gegenstände beziehen, die auch relevant für den Unterricht sind. Anhand der Auseinandersetzung mit den Modellen können Merkmale definiert und zu Rasterkriterien formuliert werden. Hier ist es wichtig, dass das Raster, das zu Beginn des Projektes mit der Klasse erstellt wird, als eine erste Version angesehen werden soll. Es soll im Verlauf des Projektes auch geändert werden können.
Rasterungen
Winter unterteilt Raster in Kriterien (auch Merkmalsklassen genannt). Diese beschreiben die Fähigkeiten, die im Verlauf des Projekts oder in der Umsetzung des Produkts erreicht werden können. Diese können zusätzlich noch in Unterstufen, sogenannte Indikatoren unterteilt werden.
Diese können dann in Niveaustufen aufgeteilt werden. Hier empfiehlt es sich eine sinnvolle progressive Steigerung der Anforderungen zu berücksichtigen. Zudem empfiehlt er maximal 4-5 Niveaustufen zu definieren, da sonst das Raster an Schärfe verliert und für die Schüler*innen schwerer zu fassen wird.
Schliesslich können die einzelnen Niveaustufen mit Deskriptoren versehen werden, also kurze Beschreibungen, was für das Niveau im jeweiligen Kriterium genau erreicht werden muss. Er empfiehlt hier explizit, Merkmale von Leistungen oder Fähigkeiten in Sätzen auszuschreiben. Aus seiner Sicht sind Symbole oder Nummern unzureichend.
Gleichzeitig aber warnt er davor, zu kleinkarierte Raster zu erstellen. Diese können uns dazu veranlassen, in Bewertungsmechanismen zu verfallen und dabei individuelle Eigenheiten der abgegebenen Arbeiten aus den Augen zu verlieren. (Winter 2015, S. 187)
Im englischsprachigen Raum sind diese sogenannten «Rubrics» weit verbreitet und aus den oben genannten Gründen hochumstritten (Kohn 2006).
Bezug zum Unterricht
Laut Winter ist es von zentraler Wichtigkeit, dass das Raster auf den Unterricht bezogen wird und bei den aktiven Lernhandlungen der Schüler*innen eine Rolle spielt. Raster sind nur wenig effektiv, wenn sie den Schülern einfach vorgesetzt werden. Am besten übt man einzelne Bestandteile des Produktes und stellt immer wieder die Beziehung zu den Qualitätskriterien und damit zum Raster her.
Dabei muss die Produkt- und Prozessqualität immer wieder thematisiert werden. Es lohnt sich das Raster früh in den Lernprozess einzuführen und genügend Zeit zu geben, um sich damit auseinanderzusetzen.
Auch hier hebt er die Funktion von Modellen hervor. Die Sprache des Rasters soll an Modellen konkret gemacht werden. Möglich wäre auch, das Raster live im Unterricht an einem Modell zu erproben oder Entwürfe der Produkte anhand des Rasters besprechen zu lassen.
Offene Kategorien
Ein Punkt, den Winter mehrmals hervorhebt, sind offene Kategorien. Er empfiehlt bis kurz vor Abschluss des Projektes mindestens eine Kategorie des Rasters freizuhalten. Oftmals können wir Lehrpersonen nicht antizipieren welche Dimensionen eines Produkt im Verlauf der Erstellung wichtig werden. Hier lohnt es sich kurz vor Abgabe nochmals mit der Klasse das Raster zu besprechen und zu überlegen, ob ihnen Kriterien einfallen, die sie gerne bewertet hätten. (Winter 2015, S. 205)
Qualitätskriterien in Frageform
Raster können auch genutzt werden, um die Schüler*innen bei der Selbststeuerung zu unterstützen. Die ausformulierten Kriterien, Niveaustufen und Deskriptoren können dazu auch als Checkliste genutzt werden. Die Schüler*innen können diese Checkliste nutzen, um den Fortschritt ihres Produktes einzuschätzen und sicherzugehen, dass sie an alles gedacht haben.
Ein Trick, den ich als besonders wirksam empfunden habe, ist es die die Deskriptoren als Fragen zu formulieren. Die Schüler*innen können nun die Fragen an ihr Produkt stellen und überprüfen, sie zumindest alle Fragen mit ja beantworten können. Dies funktioniert auch gut bei Peer-Feedback Sessions.
Punktevergabe
Es gibt verschiedene Wege, die Qualitätskriterien an ein Punktesystem zu knüpfen. Zu Beginn meiner Arbeit mit Projekten habe ich versucht, die einzelnen Deskriptoren so genau wie möglich mit Punkten zu versehen, wie man beim untenstehenden Beispiel sieht.
Die Qualitätskriterien wurden damals nur stichwortartig umrissen und wurden auch nicht gemeinsam mit den Schüler*innen gemeinsam erstellt. Einzelne Aspekte der Produkte wurden aus dem Bauch heraus mit einer Punktegewichtung versehen. Dies schien auf den ersten Blick sinnvoll, da so sehr genau Punkte für erbrachte Teilleistungen vergeben werden können. Auch ermöglichte mir das Raster eine genauere Gewichtung der erwarteten Teilaspekte. Dies hat aber zu einem komplexen Bewertungsbogen geführt, der in viele kleine Einheiten unterteilt ist.
Der Nachteil dabei ist, dass die Schüler*innen wieder auf eine Punktejagd geschickt werden. Auch schränke ich mich bei einer kleinkarierten Punkteverteilung bei der Korrektur ein. Je enger die Bepunktung, desto grösser die Gefahr einer Scheinobjektivität bei der Korrektur und sich bei der Beurteilung an einen Bewertungsmechanismus zu binden. (Winter 2015, S. 202)
Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, das summative Bewertungsraster so einfach wie möglich zu halten. Ich nutze dabei nicht mehr als vier Kriterien. Dabei habe ich je nach Projekt verschiedene Aspekte, die ich bewerten möchte. Wichtig ist, dass nicht zwingend alle Aspekte eines Produkts in die Bewertung einbezogen werden müssen. Hier kann ich auch bewusst Aspekte weglassen, die ich nicht an die Notengebung binden möchte.
Hier sind mögliche Aspekte, die ich in die Bewertung einfliessen lasse. Natürlich können einzelnen Elemente auch miteinander kombiniert werden:
Hier wird die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema bewertet. (Themenwahl, Qualität einer These, Diskussion und Argumente, Vertiefung und Schwerpunkte etc.). Dieser wird oft doppelt gewichtet.
Hier kann ich strukturelle Eigenschaften des Produkts bewerten (klare Struktur eines Textes mit Einleitung, Hauptteil und Schlusswort, im Englisch auch der Einsatz von Linking Words)
Mit diesem Kriterium kann ich den Aufwand honorieren, den die Schüler*innen bei der Umsetzung des Produktes eingesetzt haben (Layout, Umfang des Textes, Vielseitigkeit von Argumenten, Einsatz von gestalterischen Elementen etc.).
Bei Geschichtsprojekten (oft aber auch in Englisch) wird immer der Umgang mit Quellen in die Bewertung mit einbezogen (sauberes Literaturverzeichnis, Anwendung des APA-Zitierformat).
Im Sinne der Sprachförderung wird an meinem Schulstandort erwartet, dass die Sprache bei allen Leistungserhebungen in die Bewertung mit einbezogen wird. In Projekten in Englisch wird dieser Aspekt jedoch stärker gewichtet.
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